Wenn wegfällt was einem gut tut
Jeder Mensch hat etwas, das ihm speziell gut tut. Hat man zusätzlich immer wieder mit der Psyche zu kämpfen, so nehmen solche Dinge einen besonderen Stellenwert ein. Selbst wenn es einem gut geht und die Krankheit beinahe vergessen ist, sind das wichtige Stützen im Leben von Depressionsgeplagten Menschen.
Doch was passiert, wenn nun ein solcher Pfeiler wegfällt? Mir ist das schon mehrmals passiert – mit ganz unterschiedlichen Reaktionen von mir und meiner Psyche.
Depression hin oder her, alle benötigen wir verschiedene Stützen im Leben, um frohen Mutes den Alltag zu meistern. Wir brauchen Ausgleich, eine gute Work Life Balance oder wie auch immer wir dem sagen wollen. Wie das im Detail ausschaut, ist abhängig von der jeweiligen Persönlichkeit. Das muss jeder und jede für sich selbst bestimmen. Wichtig ist, auf seinen Körper und die Seele zu hören.
Familie, Freunde und Bewegung
Halt in meinem Leben geben mir in erster Linie meine Frau, welche mich unterstützt, wo immer es geht – und ich sie hoffentlich genauso. Zudem sind mir die Familie und meine engsten Freunde enorm wichtig. Partys mit (zu) vielen Leuten mag ich heute (im Gegensatz zu früher) nicht mehr. Viel schöner finde ich es mit Familie und Freunden im kleineren Kreis zusammen zu sitzen und so kostbare Zeit zu verbringen.
Auf der anderen Seite brauche ich auch Raum für mich selbst. Diesen finde ich zum allergrössten Teil in der Bewegung. Oder ganz konkret beim Laufen. Mal schnell, mal Langsam. Mal weit, selten kurz. Dauerlauf, Long Jog, Intervall – Hauptsache die Natur geniessen und alleine laufend meinen Gedanken nachgehen. Hier tanke ich Energie und lasse alle meine Sorgen hinter mir.
Wenn das Laufen wegfällt
Nun kann es aber leider passieren, dass solch eine wichtige Stütze wie bei mir das Laufen einfach wegfällt. So geschehen im Herbst 2019 und nun aktuell seit dem Neujahrstag 2021. Der Grund ist jeweils der Gleiche: mein linker Fuss. Im Herbst 2019 brach ich diesen in unseren Ferien in der Toskana. Die Ferien mussten wir in der Folge abbrechen und nach Hause reisen. Erst ging noch alles wunderbar, auch psychisch. Die Heilung verlief (aus damaliger Sicht) gut und ich konnte bald wieder arbeiten.
Doch dann kam sprichwörtlich der Hammermann und ich fiel komplett ins Bodenlose. Die Depression schlug voll zu und ich fiel arbeitstechnisch deswegen länger aus als wegen dem Fussbruch selbst. Dank der wieder intensiveren Therapie bei meiner vertrauten Therapeutin erholte ich mich ziemlich schnell und es folgte ein sehr gutes Jahr 2020 – psychisch genauso wie läuferisch.
Das Beste daraus machen
Der Fuss selbst war zwar gut, aber doch nicht gut genug. Am 1. Januar dieses Jahres verletzte ich ihn erneut und es stellte sich heraus, dass der Bruch vom Herbst 2019 nie wirklich korrekt verheilte. Eine Operation wurde nötig und das Laufen, nein die komplette Bewegung, fiel für längere Zeit aus. Ich hoffe noch immer, im Frühling wieder mit dem Laufen anfangen zu können.
Die Angst vor einem erneuten Rückfall in die Depression war gross. Nicht nur bei mir selbst. Also versuchten wir gemeinsam (ich und meine Frau mit unserem Sohnemann) das Beste aus der Situation zu machen. Stets im vollen Bewusstsein über die Gefahr eines psychischen Einbruches. Das Laufen fehlt mir total und vier Wochen zu Hause rumliegen und den Fuss hochlagern fand ich überhaupt nicht lustig. Zusätzlich muss meine Frau den ganzen Haushalt schmeissen. Ich möchte und darf nicht – und sie muss.
Aus dem Leben lernen
Trotz all dem schafften wir es irgendwie, positiv zu bleiben. Klar gab es schwierige Momente, in denen ich alles nur noch Scheisse fand. Aber ich erholte mich jeweils schnell wieder davon und es blieben nichts mehr als einfach ein paar schlechte Momente. Wieso lief es diesmal so gut? Einer der wichtigsten Gründe ist, dass wir uns dem Risiko eines Rückfalls bewusst waren und offen darüber sprachen. So konnten wir uns auf die schönen Dinge konzentrieren.
Das gab uns Kraft, auch die schlechteren Phasen zu meistern. Laufen darf ich noch immer nicht, doch das Happy End kommt immer näher. Ich hoffe, noch vor Ostern meine Krücken los zu werden und so Schritt für Schritt (wortwörtlich) dem Laufen wieder näher zu kommen. Laufen für mich alleine, aber auch Spazieren mit meiner Frau, Wandern mit der ganzen Familie. Auf all dies freue ich mich ungemein.