Wenn das Kartenhaus zusammenbricht
Es gibt diese Tage, an denen stimmt einfach nichts mehr. Das Kartenhaus mit allen Stützen bricht in sich zusammen und die Welt scheint unterzugehen. An diesen Tagen ist es umso wichtiger, vertraute und liebe Menschen um sich zu haben, die das Innere von einem kennen. Auch wenn es erst kracht, kann man sich so gegenseitig wieder aufbauen.
Es ist noch nicht lange her, da erlebte ich selbst einen dieser Tage. Es fing frühmorgens schon schlecht an und brauchte nur noch einen klitzekleinen Hauch, um auch die letzte Stütze umzuwerfen. Dann brach alles zusammen. Ich war für nichts mehr zu gebrauchen, die Tränen kamen. Es kam mir vor, als ob ein riesengrosses Kartenhaus in sich zusammen stürzt. Ein Kartenhaus, das zuvor bereits auf nur wenigen Karten stand.
Seit bald vier Monaten fehlt mir eine ganz wichtige Stütze – die Bewegung. Laufen, Spazieren oder ganz einfach aktiv sein in der Natur. Oder auch nur mal wieder Einkaufen gehen. Grund ist mein gebrochener und nun operierter Fuss, welche nach wie vor am Heilen ist. Deswegen fehlt es mir an jeglicher Mobilität, selbst mal irgendwohin zu gehen.
Hinzu kommt Corona, welche die ganze Mobilitätsfrage fast zunichte macht. Seit über einem Jahr arbeite ich mehrheitlich im Home Office und gesellschaftliche Anlässe waren in dieser Zeit extrem rar gesät. Ich stehe mehrheitlich hinter den Coronamassnahmen, aber trotzdem geht mir das ganze ewige zu Hause sein schon länger ganz stark an die Psyche.
Wir haben ein sehr schönes Zuhause mit einem wunderschönen Garten. Dennoch ist es ein Unterschied, Daheim sein zu dürfen gegenüber Daheim sein zu müssen. Im Home Irgendwas wegen Corona und dazu noch verbannt in Haus und Garten wegen meiner Bewegungsunfähigkeit – ein grauenvolles Duo. Da fehlen bei meinem Kartenhaus ganz wichtige Stützen.
Und nun fielen kürzlich auch die letzten verbliebenen Karten noch weg – und alles brach in sich zusammen. Ich sah schwarz, fühlte mich in die schlimmsten Phasen meiner Depression versetzt. Natürlich schreit in diesem Moment auch das Kind noch und meine Frau verstand ich auch nicht mehr. Doch sie verstand mich! Und war sehr schnell als letzte verbliebene Stütze wieder da.
Sie richtete das Kartenhaus soweit wieder zurecht, dass ich bald schon selbst weiterbauen konnte. Wir bauten uns so gegenseitig wieder auf. So schlimm die ersten Stunden des Tages waren, so schön waren die letzten vor dem Einschlafen. Ich bin froh und sage einfach nur Danke, dass ich eine Frau habe, die noch als Stütze dasteht, wenn das Kartenhaus komplett zusammengebrochen ist.
Sollte euch ähnliches wiederfahren, so haltet euch an etwas fest, möge es noch so winzig sein. Sucht nach Möglichkeit einen vertrauten Menschen auf, der euch wieder auf die Beine hilft. Wenn alles nicht mehr hilft, so denkt wenigstens daran, dass die Karten des zusammengefallenen Kartenhauses noch da liegen. Man muss sie nur wieder ein wenig ordnen und wieder zu bauen anfangen.
Nehmt euch Zeit dafür und setzt euch nicht noch zusätzlich unter Druck. Sucht das Positive aus dem ganzen Kartenhaufen und baut euch an diesem wieder auf. Denn inmitten allem Schlechtem gibt es ganz bestimmt auch irgendwo etwas Gutes.