Tagebuch – den positiven Momenten bewusst sein
Tagebuch zu schreiben braucht Zeit und nicht selten weiss man gar nicht mehr so recht, was man jetzt reinschreiben soll – aber genau deshalb ist ein Tagebuch so wertvoll. Dass man sich am Ende des Tages an die wichtigsten Momente erinnern kann und nicht die stressigen fünf Minuten vor dem zu Bett gehen den bis hierhin wunderschönen Tag zur Sau machen.
Tagebuch kann man ausführlich schreiben oder ganz kurz und ganz sicher soll man es für sich selbst tun. Es soll nicht zu einem Müssen werden und schon gar nicht soll man etwas für andere schreiben, nur weil man denkt, es tun zu müssen.
Ich persönlich hab verschiedene Arten ausprobiert und nutze nun schon einige Monate eine App, um einzelne Momente ganz schnell in Form meiner Stimmung und eventuell einigen Stichworten festzuhalten. Jederzeit, kurz und schmerzlos.
Mit Stift und Papier
Es gibt viele Möglichkeiten, ein Tagebuch zu schreiben und wohl genau so viele Gründe, weshalb man dies überhaupt tun soll. Die einen halten die persönlichen Erlebnisse des Tages in einem echten Buch aus Papier fest, mit schönem Umschlag und klassischerweise gar mit einem kleinen Schloss. Mal nur ein paar Sätze, mal ausführlich ein längerer Text.
Schon als Kind habe ich solche Tagebücher jeweils in den Ferien geschrieben. Eines davon habe ich heute noch – voller Erlebnisse von zwei erlebnisreichen Wochen im Wallis. Lustigerweise reisen wir diesen Sommer ebenfalls dorthin, nach Fiesch im Oberwallis. Auch als Erwachsener schrieb ich auf längeren Reisen Tagebuch mit Stift und Papier und auf den Reisen mit unserem VW-Bus führen wir heute noch ein solches Erlebnis-Log-Buch.
Jederzeit, kurz und schmerzlos
Wenn man, so wie ich, mit sich selbst und der Welt zu hadern anfängt und psychisch an den Anschlag kommt, erhalten Tagebücher eine ganz andere Bedeutung. Oft entscheiden einzelne Momente, nur wenige Minuten eines Tages, ob wir diesen als gut oder schlecht in Erinnerung behalten. Schreit das Kind am Abend, so wird man wütend und dass das Kind den ganzen Tag über total lieb war, rückt komplett aus dem Gewissen.
Ich selbst habe im Nachhinein grosse Mühe, objektiv auf die vergangenen Stunden oder Tage zurück zu blicken und nebst den gestressten und schlechten Momenten auch die schönen Erlebnisse zu sehen. Die dunklen Wolken drücken dermassen vor die Sonne, dass diese überhaupt gar nicht mehr sichtbar ist. Doch sie ist und war da. Auch wenn wir das Gefühl haben, alles sei schlecht, hatten wir mit grosser Wahrscheinlichkeit auch schöne Momente erlebt.
Täglich kurz zurückblicken
Im Laufe meiner Therapie schrieb ich eine Zeit lang ein ausführliches Tagebuch. Dies brauchte jedoch Zeit und wurde mit der Zeit mehr zu einer Belastung, als dass es nutzte. Also hörte ich wieder damit auf. Eine weitere Möglichkeit ist, abends beim Zubettgehen kurz in einem Notizbuch einige positive und negative Gedanken des Tages (beispielsweise je drei) aufzuschreiben. Da war meine Disziplin jedoch auch nicht wirklich nachhaltig.
Seit bald einem halben Jahr nutze ich nun eine App auf meinem Smartphone (Daylio: Google Play | App Store). Es gibt zahlreiche weitere Apps, doch diese überzeugte mich durch ihre Einfachheit. Hier kann ich jederzeit, wenn ich dies möchte, meine momentane Stimmung festhalten mit einer fünfstufigen Skala vom tollen Lachen (= Super) über das neutrale Gesicht (= OK) bis hin zum absoluten Lätsch (= Lausig). Zudem kann man Aktivitäten, Stimmungen usw. zur Kurzwahl definieren und kurze Kommentare hinzuschreiben.
Dies mache ich meistens ein paar Mal pro Tag, mindestens aber einmal abends, wenn ich zu Bett gehe oder um 21 Uhr die Erinnerung aufpoppt. Es stehen verschiedene Auswertungen zur Verfügung, welche man auch exportieren kann, sodass man sich die vergangenen Tage auch mal zu Gemüte führen kann. War die letzte Woche jetzt tatsächlich so schlecht, wie ich das aktuell gerade fühle? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.