Geduld mit mir selbst – (m)ein Ding der schieren Unmöglichkeit
Seit rund sechs Jahren gehört die Depression zu meinem Leben. Lange ging es auf relativ gutem Niveau auf und ab, doch Ende letzten Jahres stürzte die Wand sprichwörtlich ein. Corona, Home Office und all die Dinge, die uns die letzten Jahre heimsuchten, führten schlussendlich zu einer merklichen Verschlimmerung.
Seit meinem Klinikaufenthalt im Januar und Februar dieses Jahres ist viel passiert und es geht tendenziell langsam aufwärts. Aber eben – es geht vor allem eines: langsam. Und das verlangt viel Geduld von mir selbst. Mehr, als ich oftmals im Stande bin, zu geben.
Im Grunde geht es mir gut. Ich habe alles, was ein Mensch zum Glücklich sein braucht – und das hat nicht zuletzt meine Depression in den letzten Monaten eindrücklich gezeigt. Ich habe eine unglaublich liebe und geduldige Frau, einen sehr tollen Sohn, insgesamt eine super und verständliche Familie und meine Freunde sehen mich noch genau so, wie zuvor, als sie noch nichts von meiner Krankheit wussten. Ich bin einfach Stefan, basta.
Selbst mein Arbeitgeber – Chef, Kollegen und die Firma selber – hat mich stets unterstützt und keinen Druck aufgebaut. Geholfen hat sicherlich, dass ich schon länger so offen wie für mich möglich kommuniziert hatte. Eine Offenheit, die auf gegenseitiges Verständnis stiess. Trotzdem merkte ich immer deutlicher, dass die Arbeit selbst mir nicht entsprach. Schon lange nicht mehr.
Aus diesem Grund habe ich gekündigt und bin nun Vollzeit Hausmann. Dieser Schritt hat bei uns zu Hause zu viel Ruhe und Stabilität geführt. Bei mir, meiner Frau und auch unserem Sohnemann. Ich fühle mich wohl in meiner neuen Rolle. Und dennoch hatte ich lange Zeit das Gefühl, baldmöglichst wieder eine bezahlte Arbeit haben zu müssen.
Ein Umstand, der in meinem Inneren zu viel Stress und Unruhe sorgte. Und immer mal wieder sorgt. Ich brauchte viel Zeit, selbst zu akzeptieren, dass ich als Hausmann eine vollumfängliche und mich vollkommen erfüllende Arbeit verrichte. Meine geistige Energie reicht momentan noch lange nicht soweit, wie sie es mal tat. Manchmal komme ich mir vor, als ob ich einen defekten Akku in mir hätte.
Körperlich bin ich super fit, gehe viel Laufen und bewege mich auch im Alltag überaus viel. Doch geistig tue ich mich in letzter Zeit verdammt schwer. So muss ich täglich aufpassen, mir nicht zuviel vorzunehmen, um nicht jeden Abend mit einem schlechten Gewissen ins Bett zu gehen. Denn, ich mache viel. Sehr viel. Nur ist das aktuelle viel nicht wirklich vergleichbar mit früher. Aber das ist gut so.
So muss ich auch ein halbes Jahr nach meinem stationären Klinikaufenthalt in der Depressionsabteilung viel Geduld mit mir selbst haben. Doch wer hat das schon mit sich selbst? Ich meistens nicht, doch wird es nach und nach besser. Vor allem dank der wunderschönen Unterstützung all der lieben Menschen um mich herum, lerne ich zunehmend, auch mit mir selbst geduldig umzugehen.
Mit ganz viel Geduld werde ich irgendwann auch wieder gesund sein. Es muss nicht morgen sein, auch nicht nächste Woche und nicht nächsten Monat. Vielleicht auch noch nicht nächstes Jahr. Aber irgendwann. Mit Geduld werde ich es schaffen – gemeinsam mit meiner Frau, unserem Sohn, unseren Familien, Freunden, Nachbarn. Ich bin nicht allein. Ich bin Hausmann. Ich habe Geduld mit mir. Und das ist gut so.